Die Entwicklung der Zahnmedizin - speziell der Bereich der Implantologie - schreitet schnell voran. Unsere Redaktion sichtet die Vielzahl an Informationen und stellt hier für Sie Interessantes und Neues zum Thema zusammen:
Mit Rückenschmerzen zum Zahnarzt? Ja, sagen die Referenten der Fortbildungsreihe „Funktionsdiagnostik in der Prothetik“ von Heraeus Kulzer (Hanau). Dr. Thomas Körner und ZTM Martin Mormann zeigen, wie eng Okklusion und Körperstatik zusammenhängen und plädieren für eine ganzheitliche Gesundheitsbetrachtung und funktionelle Freiräume im Seitenzahnbereich.
Zahnarzt Dr. Thomas Körner und Zahntechnikermeister Martin Mormann sind mehr als Kollegen. Sie sind ein eingespieltes Team mit einem gemeinsamen Ziel: die optimale Versorgung für ihre Patienten. Das spürten auch die rund 40 Zahnärzte und -techniker, die am 18. Juli 2014 an der Fortbildung „Funktionsdiagnostik in der Prothetik“ von Heraeus Kulzer in Frankfurt am Main teilnahmen. Bei den Vorträgen der beiden Referenten stand die ganzheitliche Gesundheitsbetrachtung klar im Fokus.
Falsche Schuhe, falscher Biss
Gerade bei Patienten, die unter einer Craniomandibulären Dysfunktion (CMD) leiden, dem sogenannten „falschen Biss“, mache der Blick über den Tellerrand Sinn, erläuterten die beiden Experten. Denn die Ursachen für diese Problematik seien vielfältig: Falsche Schuheinlagen könnten sich beispielsweise auf die Bissstellung auswirken, umgekehrt könne aber auch eine zu hohe Brücke zu einer schiefen Körperhaltung oder Rückenschmerzen führen.
„CMD-Patienten sollten wir nicht alleine schultern“, konstatierte Dr. Körner. „Hier gilt es, mit Orthopäden, HNO-Ärzten und Neurologen zusammenzuarbeiten. Physiotherapeuten und Osteopathen begleiten die Korrektur der Körperstatik. Wichtig sind auch Psychotherapeuten, um die Stressbelastung des Patienten zu ermitteln. Eine sorgfältige Anamnese in der Praxis sollte aber immer vorausgehen.“
Patienten genau in den Blick nehmen
Gleichgewicht sei eine komplexe steuertechnische Leistung des Menschen, welche durch einen falschen Biss empfindlich gestört werden könne, so Körner: „Schauen Sie sich daher die Körperhaltung ihrer Patienten genau an – von vorne und im Profil. Steht er im Lot? Sind die Taillendreiecke gleich groß? Neigt Ihr Patient im geraden Stand den Kopf?“ Wie eng Haltung und Biss zusammenhängen, verdeutlichte eine Mitmach-Übung. In bequemer Sitzhaltung wirkten sich bereits überschlagene Beine spürbar auf die Okklusion der Teilnehmer aus. Im Zahnarztstuhl könne das fatale Folgen haben, ergänzte Mormann die Ausführungen des Behandlers: Ein falsches Registrat führe schnell dazu, dass eine gefertigte Brücke nicht passt.
Bei der Überprüfung der Zentrik sei zwischen habitueller und neuromuskulärer Zentrik zu unterscheiden. Um den Patienten zu „deprogrammieren“, solle der Behandler ihn etwa 20 Mal den Mund öffnen und schließen lassen, riet Körner. Schlucken entkopple zudem die muskulären Muster. Erst dann könne der Arzt die Zentrik als Basis für die Versorgung erfassen.
Auch eine initiale Überprüfung der Kiefergelenksfunktion sei zu empfehlen – entweder auf elektronischem Wege über eine Axiographie oder manuell. Wie das geht, veranschaulichte Körner an seinem Kollegen Mormann. Mit wenigen Handgriffen zeigte er, wie Blockierungen, Reibe- oder Knackgeräusche leicht erfasst werden können – klare Indikatoren, ob der Behandler es mit einem stabilen Gelenk zu tun hat. „Diese Form der manuellen Funktionsdiagnostik dauert nur wenige Minuten – sie kann aber maßgeblich zu einem guten Ergebnis beitragen.“
Funktionelle Freiräume schaffen
Mormann ergänzte die Hintergründe zu Funktionsstörungen aus zahntechnischer Sicht: „Die CMD-Patienten von heute haben wir uns womöglich vor 30 Jahren selbst geschaffen – mit knüppelharten Keramiken und detailliert aufgewachsten Kauflächen mit 16 Punkten“, so Mormann. „Das schwächste Glied in der Kette hat dann nachgegeben: das Kiefergelenk.“
Im Hinblick auf eine funktionsgerechte prothetische Lösung für CMD-Patienten gehe es nun darum, den gelernten falschen Biss zu eliminieren. „Weniger Muldenimpressionen und flachere Höcker im Seitenzahnbereich geben den Muskeln die Möglichkeit, sich neu zu orientieren“, so Mormann. Er warb eindringlich darum, plattere Kauflächen zu modellieren. Gerade in der Totalprothetik seien die Seitenzähne Pala Idealis von Heraeus Kulzer die Verwirklichung der „freedom in centric“.
Die Referenten sowie auch viele Teilnehmer waren sich sicher: CMD ist ein Zukunftsthema für Zahnärzte und Dentallabore. Dafür sorgen unnatürliche Körperhaltungen an Büroarbeitsplätzen sowie steigender Stress, der zu Bruxismus führen kann. „Der Mund ist unser Stressverarbeitungsorgan“, so Körner. „Es lohnt sich, das genau zu beobachten.“
Quelle
Anke Bihn, Frankfurt am Main
Heraeus-Kulzer-Fortbildung „Funktionsdiagnostik in der Prothetik“ in Frankfurt am Main
www.dzw.de