Die Entwicklung der Zahnmedizin - speziell der Bereich der Implantologie - schreitet schnell voran. Unsere Redaktion sichtet die Vielzahl an Informationen und stellt hier für Sie Interessantes und Neues zum Thema zusammen:
Erfolg heißt: statt spektakulärer Implantat-OP in der Nachsorge dicke Bretter bohren – Initiative Sanfte Mundpflege. Der Erfolg eines zahnärztlich-dentalchirurgischen Eingriffs und einer Implantation lässt sich unmittelbar erkennen, und nicht selten gelingen heute sogar spektakuläre Behandlungen in schwierigen Grenzfällen.
Doch anschließend kommt es darauf an, das Implantat langfristig im Kiefer zu halten sowie die Funktion und Ästhetik der implantatprothetischen Versorgung zu bewahren. Voraussetzung ist eine konsequente häusliche und professionelle Prophylaxe. Statt spektakulärer Maßnahmen zählen hier Hartnäckigkeit in der Organisation, Gewissenhaftigkeit bei jeder einzelnen Maßnahme des Recalls und Nachhaltigkeit über viele Jahre. Im Folgenden wird dargelegt, wie der aktuelle Stand der Technik im Einzelnen „funktioniert“.
Periimplantitis, auch Peripilastritis genannt, ist eine gefürchtete Komplikation. Denn schlimmstenfalls führt sie zur Implantatentfernung, was häufig einen Verlust von Stützpfeilern für festsitzenden oder herausnehmbaren Zahnersatz bedeutet. Auf Implantatoberflächen bilden sich die gleichen Biofilme wie auf Zähnen. Sie müssen durch geeignete Mundhygienemaßnahmen kontrolliert und, falls notwendig, aktiv behandelt werden, um das Entstehen einer Biofilm-assoziierten „Parodontitis“ oder „Periimplantitis“ zu verhindern. Die dafür verantwortlichen Mikroorganismen können unbemerkt sogar Jahre der Zahnlosigkeit in den Tonsillen und Krypten des Mundbodens „überwintern“, um nach Implantatinsertion wieder aktiv zu werden – der Mund vergisst nie!
Durch Reinigung der Implantatoberfläche und Zahnfleischtaschenirrigation muss daher versucht werden, die Infektion zu bekämpfen und die Keimzahl zu minimieren. Nur dann lagert sich das Peripilastrium reizlos an den Implantathals an, bis schließlich eine langfristig stabile Situation an der Grenzfläche Epithel/ Implantatoberfläche hergestellt ist.
Allerdings weist das periimplantäre Gewebe gegenüber dem parodontalen Gewebe eine veränderte Qualität auf. Statt eines dreidimensional ausgerichteten und direkt an den Zähnen angelagerten Kollagennetzwerks verlaufen die Fasern in der periimplantären Region zirkulär. Das Risiko, durch falsche Instrumente oder eine zu aggressive Handhabung bei der professionellen Reinigung oder durch falsche Mundpflegemittel bei der häuslichen Prophylaxe Verletzungen herbeizuführen, wird damit tendenziell größer.
Professionelle und häusliche Periimplantitis-Prophylaxe
Das Ziel „Implantaterhaltung“ ist in der Regel nur durch multifaktorielle Basistherapie und konsequente Patientenbetreuungskonzepte erreichbar.
Professionelle Prophylaxe: Generell ist, wie in der Parodontalprophylaxe bei natürlichen Zähnen, eine geschlossene Kürettage selbst bei manifester Periimplantitis gegenüber dramatischen Lappen-OPs zu bevorzugen. Es kommt allerdings stets auf die vollständige beziehungsweise weitestgehende Entfernung aller Konkremente an.
Zur Instrumentierung lassen sich Handkürettage, Schall- beziehungsweise Ultraschall- sowie Pulverstrahlgeräte verwenden, und sie lassen sich auch ohne Weiteres kombinieren. Ein Air-Scaler würde jedoch im regelmäßigen Recall zu abrasiv wirken.
Bei allen maschinellen Behandlungsverfahren kommt es weniger auf ein großes Sortiment von Ultraschallspitzen oder deren graziles Erscheinungsbild an, sondern auf eine kontrollierbare Bewegung und ein taktiles Feedback. Im Allgemeinen sollten zum Abtragen von Konkrementen überwiegend die seitlichen Flächen der Instrumente verwendet werden, und zwar mit pinselnden Bewegungen bei flachem Anstellwinkel. Da sich Titanoberflächen deutlich von Zahn-/Wurzeloberflächen unterscheiden, gilt im Allgemeinen, dass Implantate weniger aggressiv „bearbeitet“ werden sollten, um mechanische Läsionen (Aufrauungen) zu vermeiden.
Wir empfehlen, die Erfolgskontrolle mit der Lupe (Fünffach-Vergrößerung) und mit taktilen Bewegungen der Handkürette durchzuführen. Eine begleitende Testung auf entzündliche Prozesse mit dem aMMP-8-Test oder eine Bestimmung der mikrobiologischen Flora unterstützen die vorgenannten Therapiekonzeptionen und erlaubt eine Aussage zum Erfolg der eingeleiteten Maßnahmen.
Häusliche Prophylaxe: Für die häusliche Mundpflege ist grundsätzlich jedem Implantatpatienten eine oszillierend-rotierende Elektrozahnbürste zu empfehlen. Die überlegene Reinigungswirkung bei sicherer Anwendung ist vielfach durch Studien belegt. Die automatische Andruckkontrolle bietet dem parodontalen wie dem periimplantären Weichgewebe einen sinnvollen zusätzlichen Schutz.
Ergänzend kann vom Patienten eine Interdentalbürste und/oder eine Munddusche eingesetzt werden. Hier müssen allerdings die Empfehlung und individuelle Putztechnik durch den Zahnarzt festgelegt werden. Zum Beispiel sollte bei entzündlich veränderten Weichgeweben keine Munddusche angewendet werden.
Die „weichen“ Faktoren
Die verständliche Instruktion des Patienten und das Sicherstellen seines Erscheinens beim Recall sind nicht zu unterschätzende Faktoren für den Langzeiterfolg. Dabei ist die Beratung zu einer guten Mundpflege bei einem Implantatpatienten besonders aussichtsreich. Denn er hat sich zu einer aufwendigen Behandlung entschieden, dadurch neue Lebensqualität gewonnen und nicht zuletzt Geld in die Hand genommen. Damit hat sich im Kopf etwas getan, was meistens automatisch zu einem Motivationsschub für eine Verbesserung der praxisseitigen und der häuslichen Mundhygiene führt. Dieser Schwung lässt sich bei der Instruktion nutzen – womit sie grundsätzlich zur Chefsache wird. Das heißt nicht, dass der Chef später jeden einzelnen Schritt des Recalls selbst durchführen muss, aber die initiale Beratung zur Implantatnachsorge sollte er selbst in die Hand nehmen.
Während Behandlung und Erstmotivation vom Behandler durchzuführen sind, kann/soll die Mundhygiene im Recall durch die Prophylaxeassistentin erfolgen. Darüber hinaus ist in der Regel einmal jährlich eine zahnärztliche Inspektion zu empfehlen.
Diskussion
Heute lässt sich eine Implantat-Überlebensrate zwischen 90 und 94 Prozent nach zehn Jahren erreichen. Die Voraussetzungen dafür schaffen in der präimplantologischen Phase eine lege artis durchgeführte Diagnostik und eine ebenso sorgfältige präimplantologische Phase inklusive „Backward planning“. Folgen müssen selbstverständlich die ordnungsgemäße Implantation und prothetische Versorgung.
In der postimplantologischen Phase schließlich ist eine multifaktorielle Basistherapie inklusive strukturierter Betreuungskonzepte, wie vorstehend erläutert, entscheidend. Schaffen der Zahnarzt und sein Team diese Voraussetzungen, so ist die Erfolgsrate der Praxis nach unserer Einschätzung sogar unabhängig vom verwendeten Implantatsystem. Im Einzelfall spielen langfristig eher Faktoren wie das Knochenangebot des Patienten oder das ausreichende Vorhandensein von adhärenter Schleimhaut an der Durchtrittsstelle eine Rolle.
Selbstverständlich sind Plaque und Zahnstein Reizfaktoren, die entzündliche Prozesse in Gang setzen und zu Mukositis beziehungsweise Periimplantitis führen können. Zu Rezessionen kommt es seltener, und wenn, dann eher langfristig, sodass hier auf jeden Fall genügend Zeit zum Gegensteuern bleiben sollte.
In puncto professionelle Prophylaxe lässt sich festhalten: Für die im Recall eingesetzten Instrumente gibt es keine „major guideline“. Nach unserer Einschätzung kommt es im Wesentlichen darauf an, dass die Teammitglieder „ein Händchen dafür haben“. So viel lässt sich aber doch sagen: Es ist unbedingt zu vermeiden, bei entzündetem Zahnfleisch mit einem Pulverstrahlgerät zu arbeiten. Wenn man es einsetzt, sollte man es nicht wie eine Kralle ansetzen, sondern flächig instrumentieren. Allerdings dient das Pulverstrahlgerät hauptsächlich zur Beseitigung von Verfärbungen und von Auflagerungen, die mit dem Handinstrument nicht zu entfernen sind.
Wenn sich aber Zahnstein angelagert hat, ist es nach unserer Einschätzung am effektivsten, ihn mit Ultraschall quasi wegzusprengen und im Anschluss mit Bürstchen und Kelchen weiterzuinstrumentieren. Besonders schonend ist Ultraschall einzusetzen, wenn eine Keramikrestauration (mit)bearbeitet wird. Das gilt übrigens auch dann, wenn ein Karbon-Scaler verwendet wird. Dennoch ist ein solches Instrument sinnvoll, unter anderem, wenn außer der Krone auch Abutments gereinigt werden. Grundsätzlich sollten allerdings die Restaurationen so fixiert sein, dass das Implantat selbst nicht freiliegt. Das beste taktile Gefühl versprechen nach wie vor Handinstrumente.
So effektiv die professionelle Prophylaxe sein kann – die Erfolgsaussichten hängen wesentlich auch von der häuslichen Mundpflege des Patienten ab. Diese muss der behandelnde Zahnarzt evaluieren und die Recall-Abstände engmaschig darauf abstimmen, sodass unkontrollierte pathologische Entwicklungen ausbleiben. Dazu zählt unbedingt die Erinnerung an den nächsten Termin, schriftlich und heute immer häufiger zusätzlich per SMS.
Ein wichtiger Faktor sind darüber hinaus die angewendeten Hilfsmittel. Im Allgemeinen gilt: keine abrasiven Zahnpasten verwenden sowie Elektrozahnbürste und Interdentalbürsten einsetzen – und dabei eine Brille aufsetzen! Denn die meisten Implantatpatienten sind ja schon älter und haben mit dem unbewaffneten Auge Schwierigkeiten, das Geschehen in ihrem Mund zu erfassen. Man sollte aber beim Zähneputzen sehen, wie und wo man reinigt.
Spüren wird der Patient selbst am besten, mit welcher der unterschiedlichen Oral-B-Aufsteckbürsten er gut zurechtkommt, sei es eine Precision Clean, eine Sensitive oder eine Interspace. Auf jeden Fall ist eine oszillierend-rotierende Elektrozahnbürste zu empfehlen. Entweder erhält der Patient sie zu Behandlungsabschluss als Geschenk des Teams, oder ihm wird auf einem Zettel angekreuzt, welche Modelle er im Einzelhandel erwerben sollte.
Zum Schluss eine Anmerkung zur Arbeitsaufteilung: Das deutsche System ist darauf ausgelegt, den Zahnarzt zum Generalisten zu machen. In unserer Praxis finden konsequenterweise sowohl die chirurgischen Eingriffe als auch die prothetische Versorgung sowie die Implantatnachsorge beziehungsweise -prophylaxe in den Jahren nach der Implantation statt.
Dies kann aber ohne Weiteres per Überweisung auf mehrere Kollegen verteilt werden: einen Hauszahnarzt, einen Prothetiker, einen Oral- oder MKG-Chirurgen. Spezialist(in) für die Prophylaxe ist die Dentalhygienikerin oder Prophylaxehelferin. Wünschenswert wäre aus meiner Sicht ein Facharzt für Implantologie.
Einen solchen gibt es aber nicht, weil dieses Gebiet eine so komplexe Querschnittswissenschaft darstellt. Allerdings führt die derzeitige Situation immer wieder dazu, dass Kollegen sich – aus Selbstüberschätzung und/oder unter dem Druck des Gesundheitssystems zum Angebot von Privatleistungen – an Fälle heranwagen, die für sie (noch) zu schwierig sind. Der Facharzt für Implantologie könnte hier ein Mehr an Qualitätssicherung bringen. Dafür einen Aus- beziehungsweise Fortbildungsgang zu definieren, dürfte jedoch ein Kraftakt werden.
Schlussfolgerung für die Praxis
Wer aktuell neu in die Implantologie einsteigen möchte, sollte daher zunächst eine Selbstanalyse vornehmen: Bin ich mit meinen Fähigkeiten dafür wirklich geeignet? Bin ich zum Beispiel fit im Herausoperieren von Weisheitszähnen, oder liegt mir das nicht hundertprozentig? Verfüge ich darüber hinaus in meiner Praxis über das notwendige Personal? Möchte ich mich nicht lieber auf die Implantatprothetik und -prophylaxe beschränken?
Allen, die auch implantatchirurgisch tätig werden möchten, sei dringend ein Curriculum mit dem Abschluss „Tätigkeitsschwerpunkt Implantologie“ empfohlen, entsprechend der „Tätigkeitsschwerpunkt Implantatprothetik“ für den Prothetiker.
Das Thema „Implantatnachsorge“ betrifft grundsätzlich alle. Hier gilt: Periimplantitis ist kein unentrinnbares Schicksal. Einige Gegenmaßnahmen werden bereits bei der Chirurgie getroffen, zum Beispiel durch Minimieren von beweglicher Schleimhaut, die zu Taschenbildung führen kann. Abgesehen davon heißt es vor allem: über viele Jahre regelmäßiger Recall und häusliche Mundpflege mit den richtigen Hilfsmitteln. Gegenüber dem beeindruckenden Ergebnis eines spektakulären chirurgischen Eingriffs kommt uns das zuweilen wie das berühmte Bohren dicker Bretter vor, doch der Langzeiterfolg bestätigt dieses Vorgehen.
Dr. Karl-Ludwig Ackermann, Filderstad
Quelle: www.dzw.de